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Idee

Šūtum ist eine Mixed-Media-Installation, die über die Vergänglichkeit von Gesetzen, Normen und deren Interpretationen reflektiert. Durch die Verwendung eines Ultraviolettlasers und photochromer Pigmente entstehen auf einer Steinoberfläche ephemere Bilder antiker Gesetze, die allmählich verschwinden und so die Fragilität und Wandelbarkeit menschlicher Konstrukte symbolisieren.

Ein Stein Foto: Slava Romanov

Der Titel Šūtum, was in der akkadischen Sprache “Südwind” bedeutet, symbolisiert Veränderung und Transformation. Der Südwind steht für Kräfte des Wandels und der Vergänglichkeit, stellt Konzepte von Beständigkeit und Flüchtigkeit gegenüber und hebt die zyklische Natur der Geschichte und menschlicher Konstrukte hervor.

Die Installation bezieht sich auf den Codex Hammurapi und das Talionsprinzip (“Auge um Auge”) und erforscht, wie alte Vorstellungen von Gerechtigkeit die moderne Welt weiterhin beeinflussen. Die auftauchenden und verschwindenden Keilschrifttexte in Akkadisch dienen als Metapher für fortwährende Fragen nach Gerechtigkeit und Vergeltung und wie alte Gesetze in zeitgenössischen Kontexten fortbestehen oder wieder auftauchen.

Fotos: Slava Romanov

Kontext

Mit einem tiefen Eintauchen in die Geschichte verwendet Šūtum die akkadische Sprache und Keilschrift – eines der ältesten Schriftsysteme, das um 3000 v. Chr. in Mesopotamien entstand. Akkadisch wurde ungefähr von 2500 bis 1000 v. Chr. verwendet und diente als Lingua Franca des Alten Orients, die verschiedene Kulturen und Völker verband.

Der Codex Hammurapi, der um 1754 v. Chr. auf Steinstelen eingraviert wurde, repräsentiert einen der frühesten bekannten Gesetzescodes und etablierte Regeln und Normen für die Gesellschaft.

Das Talionsprinzip, das in diesen Gesetzen reflektiert wird, schreibt eine gleichwertige Vergeltung für zugefügten Schaden vor. Die für die Installation ausgewählten Artikel betonen diese Idee:

  • Artikel 196: “Wenn ein Mann das Auge eines Mitglieds der awīlum-Klasse geblendet hat, wird sein Auge geblendet.”
  • Artikel 197: “Wenn er einen Knochen eines Mannes gebrochen hat, wird sein Knochen gebrochen.”
  • Artikel 200: “Wenn ein Mann einem Mann gleichen Ranges einen Zahn ausgeschlagen hat, wird sein Zahn ausgeschlagen.”

Die Installation stellt diese alten Normen den zeitgenössischen Vorstellungen von Gerechtigkeit gegenüber und hebt hervor, dass trotz der Evolution der Gesetze einige grundlegende Prinzipien weiterhin wiederkehren. In der modernen Welt begegnen wir Phänomenen, die an das Wiederaufleben des Talionsprinzips erinnern, besonders im Kontext internationaler Konflikte und “Vergeltungsschläge”.

Technische Umsetzung

Das Projekt nutzt eine Kombination aus Technologien und Materialien:

  • Ultraviolettlaser: Dient als Werkzeug, um Bilder auf die Steinoberfläche zu “gravieren” und symbolisiert die Klinge von Zeit und Licht.
  • Photochrome Pigmente: Die Steinoberfläche ist mit Pigmenten behandelt, die auf UV-Strahlung reagieren:
    • Langlebiges Pigment: Bewahrt das Bild bis zu 1,5 Minuten, sodass der Betrachter die Details beobachten kann.
    • Schnell verblassendes Pigment: Das Bild verschwindet innerhalb von 5–7 Sekunden und erzeugt ein Gefühl von Flüchtigkeit und Vergänglichkeit.
  • Galvanometer-Scanner: Eine selbstgebaute Kombination aus einem Galvanometer und einem fokussierten 405-nm-Niedrigenergielaser, basierend auf einem programmierten Mikrocontroller, kombiniert schnelle und langsame Rendering-Methoden, um sowohl unmittelbare als auch sich allmählich entwickelnde visuelle Formen zu erzeugen.

Fotos: Slava Romanov

Präsentation

Šūtum wurde auf dem Goldstücke-Festival in Gelsenkirchen (DE) vom 2. bis 6. Oktober präsentiert und lud die Besucher ein, über die Kontinuität und Wandelbarkeit von Gesetzen und Normen nachzudenken. Die Installation bietet ein meditatives Erlebnis, während die Betrachter die auftauchenden und verschwindenden Bilder beobachten und persönliche Assoziationen und Reflexionen über Gerechtigkeit, Geschichte und Moderne hervorrufen.

Im Raum

Foto: Slava Romanov

Das Projekt wurde unter der Anleitung von Professor Lorenz Potthast (Konzeptualisierung) und Professorin Bettina Pelz (kuratiorische Unterstützung und Mentoring) realisiert.

Autor

  • Slava Romanov: Konzept, Design und Umsetzung